Wir möchten euch hiermit einen kurzen Überblick über die letzten knapp 2,5 Jahre unseres Flüchtlings-Projekts geben.
Begonnen hat alles mit einem gemeinsamen Eltern- und Gruppenrat im August 2015. Sichtlich betroffen von der sich zunehmend zuspitzenden Situation haben wir uns gemeinsam im Pfadfinderheim getroffen und darüber beraten, wie wir uns vorstellen können, in der aktuellen Situation als Pfadfindergruppe zu helfen. Diverse Ideen wurden besprochen, am Ende stand der gemeinsame Entschluss fest, eine Flüchtlingsfamilie bei uns im Pfadfinderheim aufzunehmen und sie nach der Ankunft in Österreich tatkräftig zu unterstützen.
Im September 2015 wurden uns von der Diakonie vier syrische Flüchtlinge zugeteilt, welche zuerst für einige Wochen direkt im Pfadfinderheim untergebracht waren und aufgrund unerfreulicher externer Umstände im Anschluss von uns relativ rasch privat untergebracht werden mussten. Dies war nur möglich durch die tatkräftige Unterstützung unseres Elternrates – in diesem Zusammenhang auch nochmals ein herzliches Dankeschön an Familie Ertl!
Kurz darauf haben wir uns dazu entschlossen, auch im Pfadfinderheim eine weitere Flüchtlingsfamilie aufzunehmen, seit Herbst 2015 lebt die irakische Familie AL-Mora mit uns gemeinsam im Pfadfinderheim.
Über Integration und Flüchtlinge wird viel gesprochen und in den Medien berichtet, doch selten wird dieses Wort in der täglichen Diskussion wirklich mit Leben gefüllt. Der Prozess der Integration ist langwierig und nicht immer geradlinig und verläuft in unterschiedlichen Phasen, welche individuell sehr verschieden sein können und natürlich zum Teil auch parallel verlaufen. Beeinflusst wird die Dauer des Prozesses vor allem durch die Integrationsbereitschaft der geflüchteten Person und durch die Aufnahmebereitschaft des Aufnahmestaates und der ansässigen Bevölkerung. Es liegt also nicht zuletzt an uns, wie erfolgreich Integration von neuankommenden Menschen verlaufen wird und kann.
Am Anfang eines jeden Integrationsprozesses steht das Ankommen im zukünftigen Aufnahmestaat. In der ersten Phase steht daher vor allem die Deckung der kurzfristigen Grundbedürfnisse und ein „Zur-Ruhe-kommen“ im Vordergrund. Anschließend müssen in einer zweiten Phase sämtliche organisatorischen Herausforderungen bewältigt werden, um einen geregelten Start in den neuen Lebensabschnitt im Aufnahmestaat zu ermöglichen (Sprachkurs, Asylverfahren, Schule/Ausbildung etc.).
Da wir in der Flüchtlingsarbeit als Verein wenig Erfahrung hatten, wussten wir natürlich auch nicht genau, was bei diesem Projekt auf uns zukommen wird. Schnell hat sich allerdings gezeigt, dass aufgrund der vielfältigen Kompetenzen unserer Gruppenmitglieder eine hochqualitative Betreuung gewährleistet werden kann. Zuerst war dies nur für die von uns „direkt“ betreuten Flüchtlinge gedacht, innerhalb kürzester Zeit wurden diese Unterstützungsleistungen aber auch zunehmend auf andere Gäste aus Wiener Neudorf bzw. Umgebung erweitert.
Wir konnten unsere Gäste sowie viele weitere Flüchtlinge aus Wiener Neudorf und Umgebung in den vergangenen 2,5 Jahren als Pfadfindergruppe gemeinsam erfolgreich ein Stück des Weges begleiten und sie bei den vielfältigen Herausforderungen des Alltags nach Kräften unterstützen. Die Herausforderungen in der täglichen Begleitung sind vielfältig, nachstehend ein kurzer Überblick über die wichtigsten Aufgaben:
- Organisation regelmäßiger Vernetzungstreffen in Wiener Neudorf für Flüchtlinge, UnterkunftgeberInnen und UnterstützerInnen
- Unterkunftgeber im Pfadfinderheim
- Ansprechpartner für sämtliche Dinge des täglichen Bedarfs (zB Möbel, Kinderwägen, „Bring a bottle“)
- Verbesserte Mobilität für unsere Gäste in Wiener Neudorf (Fahrräder)
- Unbürokratische und rasche Organisation von ehrenamtlich geführten Kursen (insbesondere Deutsch-Kurse, aber auch Mathe-/Englischkurse für den Pflichtschulabschluss)
- Ansprechpartner und Unterstützer für das Flüchtlingsteam der Gemeinde
- Vernetzung mit anderen NGOs im Bezirk (Connect Mödling, Caritas, Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf, etc.)
- Vorbereitung und Begleitung im Rahmen des Asylverfahrens
- Unterstützung bei sämtlichen Behördenwegen (NÖGKK, Finanzamt, BH, Gemeinde, etc.)
- Unterstützung bei der Wohnraumsuche
- Beratung bzw. Ansprechpartner für Gastgeber in Wiener Neudorf
- Suche nach Unterstützern und Sponsoren
- Rasche und unbürokratische finanzielle Unterstützung in Notfällen
- Öffentlichkeitsarbeit (Zeitung, Blog auf der Homepage, Gemeindeveranstaltungen wie Adventmarkt oder Fest der offenen Töpfe, etc.)
- Angebot von dolmetsch-unterstützten Gesprächen (zB Asylinterviewvorbereitung, etc.)
- Gelebte Integration und Inklusion im täglichen Vereinsleben (Voneinander lernen beim gemeinsamen Spielen, Kennenlernen anderer Kulturen, Abbau von vorhandenen Vorurteilen, etc.)
Abschließend noch ein kurzer Überblick über den derzeitigen Stand der von der Pfadfindergruppe Wiener Neudorf direkt betreuten Flüchtlinge:
Die Familie AL-Mora hat im Gegensatz zu unseren syrischen Gästen leider sehr lange auf ihre Einvernahme im Asylverfahren warten müssen, auch wurde ihnen nur der Status als Subsidiär Schutzberechtigte zugesprochen. Gegen diesen Bescheid haben wir gemeinsam mit der Rechtsberatung der Diakonie berufen, wir warten allerdings leider noch immer auf eine diesbezügliche Entscheidung der Behörden.
Familie Al-Mora lebt nach wie vor bei uns im Pfadfinderheim, die Kinder sind in der Schule in Wiener Neudorf bzw. in Mödling sehr gut integriert, Suhaib geht seit diesem Schuljahr in die Neue Mittelschule in Mödling. Die Kinder der Familie Al-Mora besuchen auch die Heimstunden sehr regelmäßig und sind mit viel Freude dabei.
Esahak und Hussein haben einen positiven Asylbescheid erhalten, Mohammad und Hasan haben zuerst per Bescheid den Status als Subsidiär Schutzberechtigte zugestanden bekommen. Den Bescheid von Hasan und Mohammad haben wir gemeinsam mit dem Verein Menschrechte in Traiskirchen am Rechtsweg beeinsprucht, mittlerweile haben auch Hasan und Mohammad einen positiven Asylbescheid erhalten.
Mit Ende August 2016 endete die Unterbringung unserer syrischen Gäste in der Mühlfeldgasse in Wiener Neudorf. Während Hussein sich nach längeren Überlegungen entschlossen hat doch nach Syrien zu seiner Familie zurück zu gehen, wohnen Esahak und Mohammad seit Ende 2016 in Wien. Hasan lebt seit September 2016 im Projekt des SOS-Kinderdorfes in Wiener Neudorf.
Esahak möchte nach wie vor gerne sein Studium der Elektrotechnik an der TU Wien fortsetzen und abschließen (Esahak hat bereits vier Jahre in Syrien Elektrotechnik studiert, aber aufgrund des Krieges das Studium nicht abgeschlossen). Derzeit ist er noch auf der Suche nach einem Job zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes. Esahak absolviert derzeit sämtliche Vorbereitungskurse (Deutsch, Mathematik, Physik) für den Beginn des Studiums.
Mohammad ist seit kurzem bei seiner Schwester in Wien ausgezogen und in eine eigene Wohnung mit Freunden umgezogen. Mohammad holt derzeit seinen Hauptschulabschluss nach, außerdem macht er ein Praktikum bei einem Frisör in Wien und hofft dort im Anschluss eine Lehre beginnen zu können.
Hasan ist seit September 2016 im Rahmen der Bundesbetreuung (SOS Kinderdorf in Wiener Neudorf) untergebracht. Auch Hasan macht derzeit ebenfalls seinen Hauptschulabschluss.
Euer Flüchtlings-Kernteam der Pfadfindergruppe Wiener Neudorf